Rezension: Der Patriot

Felix Mitterer – Der Patriot

Der Patriot

  • Verlag: Haymon Verlag
  • Seitenzahl: 84
  • Teil einer Reihe?: Nein
  • Inhalt: Vernehmungsprotokolle, psychiatrische Gutachten, Bekennerschreiben und Zeitungsartikel hinsichtlich des Ermittlungsfortganges sind die Grundlagen für das Psychogramm des österreichischen Briefbomben-Attentäters Franz Fuchs, das Felix Mitterer zu einem beklemmenden Protokoll zusammengefügt hat. Franz Fuchs befindet sich in Untersuchungshaft und seine Taten schildert er selbst. Es gibt unsichtbare Dialogpartner, deren Beiträge durch knappe Schlagworte wie Vorhaltung Nauta (Untersuchungsrichter), Frage Sturm (Vernehmungsbeamter) usw. dargestellt werden und den zum Teil unfassbaren und grausamen Monolog von Franz nicht unterbrechen. Entgegen seinen Behauptungen teil einer Vereinigung, nämlich BBA = Bajuwarische Befreiungs- Armee zu sein, wird 1999 nur ein Täter, nämlich Franz, vor Gericht gestellt und für schuldig gesprochen. 4 Jahre terrorisierte der Attentäter Österreich und Deutschland mit 6 Briefbombenserien und 3 Sprengstofftaten gegen Ausländer rund Vereinigungen, die sich mit Migranten-Fragen auseinandersetzen. Es gab 35 Verletzte und 4 Todesopfer.
  • Rezension: Nachdem ich gerade voller Begeisterung den Band „Jägerstätter“ von Mittlerer gelesen hatte, war ich sehr neugierig auf das schon etwas ältere Theaterstück. (Die Attentate wurden 1993-1996 begangen.) Wenn auch der ganze Wahnsinn eines kranken Hirns mit fanatischer Fixierung sehr sorgfältig und beklemmend intim geschildert wird, habe ich die Figur des Protagonisten eher abständig und mit abnehmender Neugier betrachtet. Ja, er ist nicht nur ein Monster, er ist auch ein Mensch mit Gefühlen, dem Verzweiflung und Versagen nicht fremd sind. Aber die Thematik des „gekränkten Genies“ der sich letztlich 2010 selbst hinrichtet, ist hier für mein Empfinden zu ausführlich dargestellt worden. Das Thema Angst vor Überfremdung ist sicher immer noch oder wieder hochaktuell, denkt man nur an die inhumane Asyl- und Abschiebe-Politik von Österreich und Deutschland. Dennoch haben mich die vielen Erklärungen von Franz zu seinen Motiven und zu seinem Leben ab der Hälfte des Stückes nicht mehr erhellt. Wahrscheinlich fasziniert die Figur mehr, wenn das Stück auf der Bühne gespielt wird. Vielen Dank an das Team vom Haymon Verlag, der mir dieses Buch freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.
  • Bewertung: 3 Sterne
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Über Zorro

Ich heiße Angelika Zörnig, bin Jahrgang 1948 und liebe Bücher und "Mon Cherie". Diese Kombination ist unschlagbar, besonders wenn es sich um Biografien, Familienromane, Psychodramen, Kurzgeschichten, Novellen und Lyrik handelt. Ansonsten gehe ich leidenschaftlich gern ins Theater und ins Kino oder beschäftige mich mit Märchenerzählen. Ich arbeite als Honorarkraft an einer Hamburger Grundschule. In dieser schönsten Stadt der Welt bin ich auch geboren und habe den größten Teil meines Lebens dort verbracht. Die Rezensionen werden von Stephi abgetippt.

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